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  • AutorenbildReini Frei

Tag 3: Savognin – Bivio, die Julia, der Marmorera-Stausee und ein Lied für den Schah von Persien

Ein Jahr vor seinem Tod kam Pater Alexander Lozza (siehe gestriger Blog) nochmals so richtig in Rage. Wohl von der Kanzel herab, auf der Jagd, im Gespräch mit seinen „Schäfchen“ prangerte er die aus dem Moloch von Zürich an. Sie wagten es, eine der Kirchen in seinem Einzugsgebiet dem Erdboden gleichzumachen. Und sein Feindbild hiess Dr. Pfister. Der verstand es Ende der vierziger Jahre – längst hatte die „Talflucht“ der Jugend eingesetzt - die Bewohner von Marmorera zu überzeugen, ihre Häuser dem Elektrizitätswerk Zürich (EWZ) zu verkaufen und neue Häuser oberhalb des Tales zu beziehen. 30 Häuser, 50 Ställe, eine Schule, eine Kirche, ein Friedhof. Im Oktober 1948 hatte er das Dorf im Sack und mit 24 JA zu 2 Nein stimmten die Marmoreser dem Verkauf ihres Dorfes zu. Im Mai 1954 dann der letzte Gottesdienst – die Bagger warteten schon vor der Kirchentür. Ein Jahr zuvor war es Zeit für Pater Lozza, eines seiner letzten Gedichte zu verfassen:


„Dem grossen Moloch Zürich opferst du Geschichte, Sprache, Tradition. Vom Tun und Trachten unserer Alten nur die Sage bleibt erhalten.“


Die Einweihung des Julierwerkes Marmorera am 15. September 1955 hat Pater Lozza nicht mehr erlebt. Er hat sich wohl im Grabe umgedreht, damit er die Marschmusik und Reden der Honoratioren nicht hören konnte. Ja, heute bleibt nur die Sage – und handfeste Facts: Das EWZ produziert 735 Millionen KWh Energie aus sieben Kraftwerken, vier Stauseen – darunter der Marmorerastausee als einer der grössten – und 10% der Einnahmen der Gemeinde Surses/Tinizong – 3 Mio – entstammten den Wasserzinsen. Surses wurde zu einer der reichsten Gemeinden und zum Steuerparadies in Graubünden. Vielleicht hat sich Pater Lozza in seinem Grab längst wieder umgedreht – der Stausee ist eine Attraktion, schön in die Natur eingebettet, das EWZ zahlt pünktlich und nicht zu knapp und die Region hat mit dem Park Ela ein Magnet erhalten.


Der Marmora-Stausee wird von der Julia gespeist. Und diese Julia ist heute in Savognin jugendlich stürmisch – weil es die Stromproduktion und der Stausee oben so wollen. Das Schwall-Sunk-Verhalten des EWZ-Kraftwerkes oben macht sie mal zu einer wilden, dann wieder zu einer zahmen Talbewohnerin. Da ist mir unsere ausgeglichene Julia im Büro lieber… Aber schön sind beide… 😉


Mit Stefan marschiere ich strammen Schrittes entlang dieses Wildbaches nach Rona, wo es steil in den Wald hinauf geht. Auf einem wunderbaren Römerweg. Ist Columbani auch hier entlanggewandert? Wahrscheinlich. Wir entscheiden uns kurzfristig, nicht auf die Alp Flix sondern in Richtung Sur zu marschieren, wo wir kurz nach Mittag ankommen. Müde. Es ist warm. Und für Stefan der erste Tag. Brauchen wir die Alp Flix in unserem Wander-Palmares? Wir meinen: Nein und nehmen den verschlungenen Weg hinauf zum Stausee in Angriff. Wir bereuen es nicht. Der Wald ist dicht, der Weg schmal, die Natur – vor allem die Julia unten – wild. Oben angekommen lädt das Stausee-Restaurant zur Bier-Pause und das Schild „Post-Auto Haltestelle“ zum Warten auf den „gelben Wagen“. 1000 Höhenmeter, 16 km und fünf Stunden Wanderung reichen uns.


In Bivio steigen wir im „Kolumbans-Hotel“ Solaria ab. Mit vielen guten Gedanken zu Projekten, die Stefan und ich am Beginn des Tages diskutierten, philosophierten, ausrollten. Diese gilt es nun ins Word und nach Hause ins Büro zu bringen…


Bivio – Erinnerungen tauchen auf. Januar 1973. Wir sind im Skilager und wollen nach dem Essen gleich wieder hinauf. Da ruft Lehrer Gähwiler uns nach: „Alle zurück! Vors Restaurant, aufstellen, wir singen!“ Ungläubig laufen wir zurück. Gähwiler gestikuliert wild, stellt uns vor dem Restaurant auf und einer fragt: "Warum müssen wir singen?“

„Der Schah von Persien sitzt mit Farah Diba im Restaurant!!“

Wow – der Schah von Persien. Tatsächlich. Da lächelt er und sie uns - MICH - aus dem Fenster an. Lächelt mich an! Wir singen – ich glaube "Chantelle Battaliere" oder so hiess das Lied – wir konnten nur die erste Strophe. Aber die dann dreimal… Schah und Farah Diba dankten es mit Lächeln und später mit einem Brief und einem (billigen) Ring an die Sekundarschule Widnau. Dieser ist noch heute dort zu besichtigen.


Nachtrag: Zwei Kollegen wollten nicht singen und rannten zur Telefonkabine und telefonierten dem Blick: „He, wir wissen, wo der Schah von Persien ist. Was ist das euch wert?“ Lachen am anderen Ende: „Er fährt grad nach St. Moritz.“ Aufgehängt. Ein oder zwei Jahre später wäre der Tipp tausende von Franken wert gewesen. Wer waren die Kollegen? Bernhard und Urs.



Der Römerweg - schön gebaut, sogar die Wände

Die Römerstrasse...

Mittagsschläfchen

Der Stausee - schön "verpackt" mit Gras

Heute ein Bijou - aber die Geschichte dahinter...

Die wilde Julia

Kunst am Weg...

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