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  • AutorenbildReini Frei

Tag 14: Monza/Mailand – Melegnano (0/14 km). Marignano. Beinhaus. Schlachtfeld. Mythos. Tiramisu.

Heute bin ich unten durch. Zuerst physisch – mit der U-Bahn durch Mailand, dann psychisch – beim Schlachtfeld und Beinhaus ausserhalb Marignano/Melegnano. Die meisten kennen die Geschichte: «Mailand war seit 1512 ein Protektorat der Eidgenossenschaft. Weite Gebiete südlich der Alpen gingen als «Ennetbirgische Vogteien» an die Eidgenossen und ihre Verbündeten. Alle Alpenpässe zwischen Stilfserjoch und Grossem St. Bernhard waren damit unter direkter Kontrolle der Eidgenossenschaft.» Die Eidgenossenschaft war eine europäische Macht.


Franz I. von Frankreich wollte das nun ändern und bot den Eidgenossen Geld für das Herzogtum Mailand. Diese stiegen aber nicht darauf ein und entsandten 22'000 Eidgenossen (davon einige Stadt St. Galler – von Rheintalern stand nichts…!) nach Mailand. Franz kam mit 45'000 Mann, Kanonen und Kavallerie an den Fluss Lambro nach Marignano. Das Gemetzel dauerte zwei Tage, dann erkannten die Eidgenossen die Lage und gaben auf. Nach Blocher’schem militärgeschichtlichem Diktum «mit einem der ersten dokumentierten, geordneten Rückzug seit der Antike». Nach historisch verbriefter Darstellung chaotisch, feige, als panische Flucht. Sogar die Franzosen hatten Erbarmen und mussten die fliehenden Eidgenossen vor den langobardischen Bauern schützen.


Wie dem auch sei, es war ein Gemetzel und es zeigte sich, dass seit diesem Krieg die Infanterie keine kriegsentscheidende Waffe mehr war. Die Eidgenossen mit ihren Hellebarden wurden von der französischen Kavallerie überrannt.

Auch Huldrych Zwingli war dabei und hat danach in Predigten immer wieder gegen die «roten Hüetli» (Kardinäle, Bischöfe) gewettert, die die eigentlichen Kriegshetzer waren (Kardinal Schriner, Wallis). Der Mythos der auf dem Kampffeld ungeschlagenen Eidgenossen lebt zwar noch in einigen politischen Köpfen – aber wichtiger war, dass sich die Eidgenossen besannen und jeglichem Expansionsstreben entsagten.


Heute zeigt sich das Schlachtfeld weit ausserhalb von Melegnano eintönig, als ungepflegtes Ackerfeld. Das Beinhaus daneben, das Blocher (bereits 1965!) und Simonetta Sommaruga (2015 – 500 Jahr Feier) besuchten, ist ziemlich klein, steht irgendwie verloren am Strassenrand, eingezwängt, ungepflegt. Der Blick auf die Gebeine und Schädel durchs vergitterte Fenster aber stimmt nachdenklich, traurig. Das zweite Denkmal im hässlichen Städtchen Melegnano wirkt ebenso ungepflegt und verlassen. Da lob ich mir die Graffitis bei der Unterführung beim Bahnhof. Eine Schlachtdokumentation einmal anders, für alle, auch Kinder (kein Toter zu sehen…).


Ich denke, 1515 ist wichtiger als 1291, aber nicht so wichtig wie 1848. Ich sehe Marignano nicht in Blocher’schem Sinne, nein. Die Schweiz hat sich seit 1515 allem Grossmacht-Streben entsagt – aber nicht verschlossen. Sie hat erkannt, dass man offenbleiben muss, Handel treiben, Ideen anderer annehmen und auch Menschen aus anderen Ländern, Verfolgte schnell integrieren muss. Das war der Schlüssel zum Erfolg, darum gibt es Maggi, Bally, ABB, Nestlé und all die grossen Uhrenmarken etc. Der Weg der Schweiz ist nicht der Alleingang, es ist der offene, positive, ehrliche Umgang mit den Nachbarn.


Nach so viel Gemetzel (und immerhin 14 km Wanderung durch die Gegend) und schweren Gedanken brauchte meine Leber ein Gegenmittel, einen Grappa – und die leidgeprüfte Seele ein Tiramisu. Was macht ein sehr gutes Tiramisu aus? Sicher nur die besten Zutaten: Eiweiss, Eigelb, Biskuit, starker, schwarzer Kaffee, Kakao (zum Bestreuen), Zucker, Staubzucker, ital. Doppelrahm-Mascarpone, Rahm und natürlich ein Schuss (oder zwei) bester Rum (kann auch Amaretto sein). Das italienische Tiramisu ist genial – es wird schwierig, eine Rangliste all meiner Tiramisu hier zu erstellen…


Kurz tauchte ich aus dem Untergrund Mailands auf und musste mir die Baumhäuser ansehen...


Warum sich Marignano in Melegnano umgetauft hat, habe ich - auch wegen meinen beschränkten italienische Kenntnissen - nicht herausgefunden... Wahrscheinlich will man nicht ein Leben lang an eine Schlacht erinnert werden...


Das Schlachtfeld und....


...daneben das "Beinhaus" mit ...


...einigen Relikten von 1515.


Das zweite Denkmal - eingezäunt, verdorrte Blumen und Rasen...

Noch hält sie (Helvetia?) die Flamme hoch...


Ganz anders die Grafittis in der Unterführung: Die Schlacht der Giganten!







Nach all dem Gemetzel hilft ein leichtes, süsses Tiramisu...

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